Dienstag, 24. Juni 2014

Die kürzeste Nacht

Sommersonnenwende mal ganz anders: Die magische Nacht des 21. Juni habe ich dieses Jahr durchschrieben. In Carmens Schreibwerkstatt in meiner alten Heimat Frankfurt an der Oder. Während der größte Teil des Landes dem Fußball frönte und sich nach und nach zur Ruhe begab, kratzte unsere kleine Gruppe von zehn bis vier mit dem Stift übers Papier. Wir rätselten und reimten, erzählten und ersannen. Ließen uns inspirieren von Carmens bunt zusammengewürfelten Schreibanstiftungen. Lasen unsere kleinen Texte vor und hörten dann, was den anderen in der Runde aus der Feder geflossen war...

Zwischendurch gab es ein paar Köstlichkeiten vom Potluck Buffet und einen meditativen Spaziergang an den Fluss, über Pflastersteine von Stadt und Uni, die mir nur allzu vertraut waren - und sich doch so sehr verändert hatten!
Erinnerungen stiegen in mir auf, etwas Wehmut aber auch Dankbarkeit für meine schöne Studienzeit. Manchmal habe ich Lust, weiter zu studieren, mich wieder vollends in Büchern, Wörtern und Theorien zu vergraben und in der Mensa mit Kommilitonen zu fachsimpeln. Vielleicht sehne ich mich aber auch nur nach der großen Freiheit und Weite der damaligen Zeit zurück. Der Geist und die Tage so offen, die Zukunft ein noch unbeschriebenes Blatt...
Nach unserer Rückkehr aus der Nacht war es ein Stadtplan von Frankfurt, den wir be-schrieben. Und ich konnte ein paar meiner Beobachtungen - ob nun in oder außerhalb von mir - über die eingezeichneten Straßen, Gebäude, Orte, über die Oder und weiten polnischen Flusswiesen strömen lassen. Das passte.

Sehr bewegt hat mich auch der Auszug aus Pablo Nerudas "Buch der Fragen", den Carmen uns vorlas. Zu einer der wunderbar tiefsinnigen und poetischen Fragepoeme gelang mir ein schöner kleiner Text.
"Wo liegt der Mittelpunkt des Meeres? Warum laufen dahin nicht die Wellen ?"
Ich glaube, diese insgesamt mehr als 300 Fragen werden mich noch länger beschäftigen... Zuerst gönne ich mir ein Gedichtbuch von Neruda und lese sie ganz. Danach setze ich mich vielleicht spielerisch schreibend mit ihnen auseinander - sie berühren und inspirieren einfach zu mehr.
Wie die ganze lange - kurze - kürzeste Nacht des Schreibens, die mir neue Ideen und den Impuls, wieder mehr zum Stift zu greifen, geschenkt hat.

Sie endete mit einer Bahnfahrt hinein in das sanfte Licht eines neuen Morgens - und einer neuen Zeitqualität. Auf dem Höhepunkt der Kraft ist das Pendel umgeschwenkt. Obwohl wir den Anfang das Sommers feiern, nehmen Licht und Energie schon wieder langsam ab. Eine Kerze brannte die ganze Nacht. Das traditionelle Feuer hole ich diese Woche mit einer großen Gruppe von Frauen auf dem Teufelsberg nach. - Falls der Hangover der durchwachten Stunden nicht noch weiter anhält. Und auch meine Energie noch weiter abnimmt...

Mittwoch, 11. Juni 2014

Die Holla blüht !

Ein zauberhafter Duft, ein wunderschöner Anblick... und eine Köstlichkeit, die wir ernten gehen - den Sommer zu suchen, tief einzuatmen - zu feiern und zu konservieren... in Flaschen goldenen Saftes, klebrig süß.



Wir ziehen los und kriechen in die Bäume - dutzende im ganzen Garten verteilt ! - und es fällt sanft wie Schnee auf uns herab. Tausend Blütensterne fließen uns in die Kleider. Ein Gruß von Frau Holle - dieser geheimnisvollen Himmelsgöttin, die auch unter dem Namen Holda, Holler oder Hel verehrt wird. Und verkörpert im Holunder, der ähnlich mütterlich und unausrottbar seit jeher seine schützenden Zweige über uns ausbreitet. Mit seiner Heilkraft von Rinde, Blüten und Beeren.


 


Diese Pflanze, dieser Baum - diese Göttin ist etwas besonderes !

Ein paar Blüten trockne ich für Tee, der Fieber senkt, die Abwehrkräfte stärkt - und dabei sehr gut schmeckt.

Die restlichen Dolden lege ich einen Tag in Wasser ein, koche dann das Blütenwasser auf und seie es durch eine alte Windel ab. Der entstandene Sud wird dann mit Zucker oder Honig sowie Zitrone versetzt und so heiß wie möglich in Flaschen gefüllt.

Fertig ist der berühmt-berüchtigte Holundersirup.

Das Grundrezept meiner Kräuterfrau Birte ist bei der Mengeangabe von Holunderdolden und Wasser etwas vage, erspart aber lästiges Abwiegen und -messen, gerade auch beim Pflücken.
  • Ein 10 l Eimer voll Holunderdolden sammeln
  • in einen großen Topf füllen und mit Wasser bedecken  (die Blüten schwimmen oben, notfalls beschweren)
  • am nächsten Tag aufkochen, dann die Blüten abseien
  • den Sud nochmals aufkochen
  • 5 kg Zucker oder 5 kg Honig + sowie 100 g Zitronensäure (oder Ascorbinsäure, was dasselbe ist) in den leicht köchelnden Sud geben
  • So heiß wie möglich in vorbereitete Flaschen abfüllen
  • Später mit Mineralwasser oder Sekt aufgießen 
  • oder zum Aromatisieren von Süßspeisen verwenden. Toll sind z.B. Holundersahne oder Pfannkuchen mit Holundersirup !
Ihr könnt natürlich auch Teilmengen zurbereiten. Und es kann auch etwas weniger Zucker sein, bitte abschmecken. (Aber nicht sehr viel weniger, dann gibts Konservierungsprobleme.) Mit Honig wird das ganze weniger süß und etwas gesünder.
Der Sirup hält sich so lange wie Marmelade, wenn Ihr sehr sauber arbeitet und die Flaschen und Deckel, aber auch alles Gerät wie Kellen, Trichter etc. vorher mit kochendem Wasser bzw. im Backofen desinfiziert. Gut machen sich Flaschen mit Twist-Off Verschluss, die Ihr nach dem Abfüllen kurz auf den Kopf stellt.


Wem das alles zu kompliziert ist, der kann auch ganz einfach Holunderwasser herstellen:

Die perfekte Erfrischung in diesen heißen Tagen !
  • Einfach 2-3 Dolden in eine Karaffe geben und mit Wasser aufgießen 
  • entweder pur oder zusammen mit ein paar Zitronenscheiben oder Kräutern wie Brennessel, Zitronenmelisse oder Apfelminze
  • Kühl stellen und für unterschiedlich starken Geschmack ca. 2h, aber auch bis zu 2 Tage im Wasser lassen.
  • Bei Bedarf immer wieder neu aufgießen. 
  • Abgehende Blütensterne kann man mit einem Sieb abfiltern aber auch gern mittrinken. Sie sind sehr gesund !


Das schlürfe ich nun fast jeden Tag... während der Holundersirup noch auf seinen Einsatz wartet.


Mein Stück Sommer. Mein Stück Lebenskraft.  

Irgendwie scheine ich mit der Holla verbunden.

Hatte mal einen mystischen Holunder-Neuwerdungstraum. Fand einmal ein Tier unter ihm gestorben.
Dass die Zauberpflanze auch das Thema von (Wieder-)Geburt und Tod in sich trägt, kann man schon an ihren stärksten Lebenszeichen erkennen: Im Frühsommer weiße Blüten - im Herbst schwarze Beeren.


Aber das ist eine andere Geschichte.
Sie ist reif, wenn die Beeren es sind.


Samstag, 7. Juni 2014

Vom Glück


Seit Jahren rudre ich durchs Leben
weigere mich aufzugeben
Glück
erträumt
versäumt
im Auf und Nieder
erkannt
verbannt
verlor es wieder
zwischen Welt und Wunsch und Weiten
in den zugigen Zeiten

Lebe weiter vor mich hin
bin weiter, die ich bin
das Begehrteste
Verwehrteste
find’s in mir
und im Beginn
des Wir
im seltsam Kleinen
zwischen Wachsen, Winden, Weinen
nur flüchtig
wie Magie
die heimlich mir gedieh
um dann plötzlich  zu erscheinen


















© Gedicht von Vilwarin 2002

Sonntag, 1. Juni 2014

Wünsche säen


Meine Sonnenblume blüht! Tag für Tag ein bisschen mehr streckte und entfaltete sie sich. Bis sich vor ein paar Tagen der Blütenkelch öffnete und sie mir fortan ihr ganzes Strahlen schenkt.
Meine Sonnenblume auf der Fensterbank. Eine von drei - meiner Wunsch-Sonnenblumen !

Zu Ostara, der Frühlingstagundnachtgleiche am 21.März habe ich in meinem Frauenkreis wie immer ein Jahreskreisritual begangen. Wir formulierten wir auch diesmal wieder unsere persönlichen Wünsche für dieses Jahr. Wir malten sie auf ein ausgepustetes Ei. Und wir pflanzten sie ein. Die Organisatorin hatte Samen, Erde und Töpfe mitgebracht. Eine Frau gab noch den Hinweis, die Samen vor dem Setzen mit unserer Spucke zu benetzen. Wenn man das mit Kräutersamen mache, entwickelten sie später genau die Nährstoffe, die die jeweilige Person gerade brauche, sagte sie. Und bei diesen Sonnenblumen?  Nun, vielleicht tragen sie so noch mehr von meinem Wunsch in sich – nicht nur mit ihm bedacht, sondern auch mit mir, wie ich gerade, bin „gesalbt“… 
Die letzten Jahre hatte ich manches Mal meine Wunschkeimlinge durch einen zu großen Gießkannenstrahl vernichtet. Diesmal ging ich beim Wässern vorsichtiger vor, außerdem hatte ich mit dieser Sonnenblumenart kräftigere Samen und Sprösslinge erwischt. Alle drei gesäten kamen! Langsam, nacheinander. So wie auch wir Menschen und alles Lebendige sich in seinem ganz eigenen Tempo entwickelt. So wie Wünsche unterschiedlich lange brauchen, bis sie in Erfüllung gehen. Das ist eigentlich schön, weil, wenn die erste verwelkt ist, nun die anderen beiden blühen werden !

Wünsche säen. Eine schöne Idee, um unseren Träumen und Visionen Kraft zu verleihen. Das ist schließlich der Kern eines jeden Rituals: Es findet eine äußere Form, um innere Prozesse nachzuvollziehen. Macht konkret sichtbar, was vielleicht eher schwammig in uns schwelt. Zuerst die Bewusstwerdung: Was will ich für mich, was vom Leben eigentlich in diesem Jahr? Dann die Würdigung und Bekräftigung durch eine passende kleine symbolische Handlung.

Zum Frühlingsanfang ist es besonders schön, einen Samen einzupflanzen. Denn auch in der Natur ist jetzt alles im Keimen, Werden, Wachsen begriffen. Und wenn die Pflanze im Frühling treibt und im Sommer schließlich blüht, kommen auch wir in der Regel immer mehr in unsere Kraft und schaffen es, unsere Wünsche und Anliegen zu verwirklichen.
Aber auch zum eigenen Geburtstag bietet sich die Wunschaussaat an. Vielleicht zusammen mit unseren Lieben? Und es ist eine besondere Geschenkidee: Statt fertigen Pflanzen oder Blumensträußen besorgt Ihr Samen – z.B. selbst gewonnene oder die der Lieblingsblumen des Beschenkten. Vielleicht mögt Ihr sie in eine kleine selbst gestaltete Tüte mit der Aufschrift „Wunschsamen“ stecken? Oder noch Erde und Topf dazuliefern? Wenn der Glückliche einen Garten hat, umso besser, dann kann er sich einen passenden Platz für die Samen darin aussuchen. 

Es dämmert schon. Aber ein warmes Gelb strahlt mich vom Fenster aus an. Und ich gieße sie noch, die drei Sonnenblumen. Ich pflege jetzt noch meine Wünsche.