Montag, 9. März 2020

Ringen mit meinem Traum

Nun doch keine neuen Posts auf diesem Blog. Weil ich voll und ganz mit anderen Dingen und mit mir selbst beschäftigt bin. Im Innen, im Außen. Alles so sehr im Wandel! Im Werden. Auf vielen Ebenen. In größtmöglicher Entfaltung, die nun jedoch weiter ohne eure Zeugenschaft stattfindet. Weil dieses - und auch das Zitate-Blogprojekt - ihren Platz nicht finden wollen in einem zwar nun beruflich selbstständigen, darum aber umso reicher gefüllten Leben. Die Zeit des Bloggens scheint doch vorbei. Oder sie hat noch nicht wieder begonnen ... Ich lasse mich jedoch nicht noch einmal zu Versprechungen verleiten, wann es weitergehen wird. Denn wer weiß, ob ich sie einhalten kann. Mehr denn je finde ich Wahrheit - und Freude! -  in der Devise: Follow the flow. Und wer weiß, wo der mich hinträgt? Gerade jetzt, wo das Meer so bewegt ist?

Dies hier aber ist ein Lebenszeichen von mir. Mit einem Text, der reflektiert, was den Großteil meiner Zeit jetzt ausfüllt: Mein Buchprojekt, mein autobiografischer Roman, der schon so lange mein Traum ist und mir viel abverlangt, gerade im Moment, wo ich immer noch - oder wieder - am Anfang stehe. Writing is Re-Writing. 

Die folgenden Zeilen entstanden aus von mir und einer Freundin erscrabbelten Wörtern. Wir stellten uns die Aufgabe, wirklich alle - auch die absonderlichsten! - im Laufe des Spiels auf das Brett gebrachten Worte in einem eigenen Text unterzubringen. Dann wollten wir ihn uns vorlesen. Gesagt, getan! Falls mein Text an manchen Stellen etwas merkwürdig klingt, wisst ihr also warum. Aber vielleicht ja auch merk-würdig! Ohne diese ungewöhnliche Methode wäre er vermutlich gar nicht entstanden - und auf alle Fälle nicht so. Manche aus der Not geborene Metaphern treffen tatsächlich den Kern des Schreibprozesses, in dem ich gerade stecke. Nicht immer einfach, aber so lohnend!

  

Ringen mit meinem Traum

Reflexionen einer Autobiographin in der Lehre

Sind es Meter oder Meilen, die mich von meinem Traum trennen? Monate oder Jahre? Er soll nichts Separates sein, ich will mit ihm verschmelzen. Ein Prozess, nicht ein Produkt ist es: Das gedruckte Buch in meinen Händen.
Es ist kein Stern, der mir in den Schoß fällt. Kein Ufo, das durchs All geglitten kommt – und irgendwann einfach hier landet. Vielleicht klingt er unwirklich, doch nicht außer-, nein, ganz irdisch ist dieser Traum: Ich löte Zeile um Zeile, Wort an Wort. Es ist wie das Mixen eines guten Drinks, der am Ende ausgewogen schmeckt. Wie Lego-Spielen im Kinderzimmer: Ich schütte die große Box aus und alle Teile purzeln durcheinander. Jetzt muss ich sie zusammensetzen. Wie das geht, lerne ich beim Gehen. Im Ausprobieren: Stein an Stein. Und immer wieder auseinandernehmen, umbauen, feilen an der Konstruktion. Stolz errichten - und wieder einreißen. Entstandene Lücken zumauern und später angebauten Teilen so viel Statik und Kitt verleihen, dass sie elegant mit dem Rest des Gebäudes verschmelzen.
Es gilt, das Chaos des Erlebten zu ordnen und zu zähmen, ohne seine Wildheit zu verlieren. Verwörtlichung von Erinnerung: Den Staub der Vergangenheit zu Glitzerperlen polieren. Immer wieder, Satz für Satz Wichtigkeit gegen Nichtigkeit tauschen. Das Eigentliche herausschälen. Aus einer reellen Zahl mit unendlichen Kommastellen eine ganze, gut zu erfassende machen. Und doch schimmert es durch, mein Gedanken-Pi – kostbare Konstante in diesem Bild, ein Schlüssel zur Berechnung des Unberechenbaren, etwas, das die Geschichte rund macht. Mein Buch soll keine Rune sein für die Eingeweihten, sondern ein Landungssteg, leicht zu überschreiten für die Passagiere aller Klassen. Eil her, begib dich aus der Sicherheit des Luxusdampfers ans wilde Ufer meiner Extreme. Mach am Kai meiner Geschichte fest und lass dich vom Rauschmädchen berauschen. 



 
Es ist nicht immer ein Rausch, diesen Rausch zu kreieren, kein Jux, mich immer wieder mit mir selbst zu konfrontieren. Im Erzählen und Erzählten, verdoppeltes Ringen, da ich Schreibende und Beschriebene bin. Jeder Autor kämpft – mit sich und den Wörtern in dem Unterfangen, die oft noch öde Szenerie des allerersten Getippten in ein farbiges Faszinorum zu verwandeln, dem der Leser sich nicht mehr entziehen kann. Und auch der Autor selbst nicht, wie wundervoll ist bei all dem Kampf doch das Flüchten in diese ferne, selbst erschaffene Welt! Ein Abenteuer. Und auch ein Ausruhen. Aber wohin soll ich flüchten, wo soll ich ausruhen? Als Autobiographin gleichen sich meine Wirklichkeiten. Nicht nur im Prozess des Schreibens, auch in seinem Sujet treffe ich mich - und immer nur mich. Ich werde kein Abenteuer erfinden, sondern das real erlebte in Zeilen zwingen müssen: Werde ich ihm gerecht? Ich kann mich nicht gehen – und überall hin gehen - lassen. Ich muss wach bleiben, hellwach, damit die Autorin der Figur – und die Figur der Autorin – vor lauter Ähnlichkeit nicht in die Quere kommt.
Schreiben ist wie eine Wildwasserfahrt. Auf der Hut, doch auch weich und wendig bleiben, sich dem Fluss anvertrauen, der mal stetig dahinplätschernd, ein andermal zum reißenden Strom mutiert. Ich rudere Kanus, für ruhige Badeseen gebaut. Passiere Stromschnellen, auf die ich nicht vorbereitet bin. Das Gesicht im rauen Wind, der Körper durchnässt vom aufgepeitschten Wasser. Ich kippe um und richte mich wieder auf. Schlucke Wasser, oft nah am Ertrinken, doch klettere immer wieder ins Boot zurück.
Nicht immer kann ich sagen: Läuft! Doch hisste ich immer sofort die weiße Flagge, wenn ich auf ein Problem stoße, bräuchte ich gar nicht erst zu beginnen. Probleme sind zum Lösen da. Und manchmal lösen sie sich von selbst, wenn ich nur dran bleibe. Ich muss mich durchbeißen wie Mulis oder Yaks, die auch mit vollem Gepäck auf hohen Pfaden nie das Gleichgewicht verlieren.
Mein Buch, mein Traum - eine große Reise! Habe ich je etwas kühneres gewagt? Es ist wie ein Marathon bei 30 Grad. Freeclimbing, Surfing, Apnoetauchen. Wie unter Tage ohne Helm, in der Küche flambieren ohne Schürzen und Hauben. Ich verbrenne mir schon mal die Finger …
Doch durch mein Brennen dafür wird nach und nach alles verbrennen, was mich hemmt und hindert - am Schreiben, am Vertrauen in sein Gelingen. Ich brandschatze, schlage, ersticke, morde. Töte Ängste, Zweifel, Prokrastination. Ablenkung und schadhafte Glaubenssätze. Bis mein altes Ich darniederliegt, zermalmt wie ein Verkehrstoter. Wenn es ständig in der Mitte der Kreuzung steht und sich zum Polizisten aufspielt, der statt den Verkehr zu regeln, ihn ganz zum Erliegen bringt, wenn es nie ein anderes Zeichen als Halt kennt … dann heißt es irgendwann fahren, ohne Rücksicht auf Verluste! Neu werden, indem ich einfach „trotzdem“ mache. Ich werde dadurch nur gewinnen. Meinen Möglichkeitsradius erweitern, indem ich mich, langsam Schritt für Schritt immer weiter vorwage. Und so lange weiter und weiter gehe, bis die anfängliche Lähmung endgültig verschwindet. Und ich nur noch von der Ex-Komfortzone spreche. Sie ist nun überschritten. Und mein Ich, immer weiter gesundend, endlich frei.
Ich kämpfe, bis er wahr geworden ist, der Traum vom eigenen Buch. Im Nu vergriffen, steht es irgendwann auf der Messe und im Laden … Ich tauf es mit all dem Herzblut, das es mich gekostet hat. Taumle und tanze, dass frisch und fesch Po und Hüfte wackeln. Würdige, feiere, genieße. Und düse weiter – zu meinem nächsten Traum.