Dies hier aber ist ein Lebenszeichen von mir. Mit einem Text, der reflektiert, was den Großteil meiner Zeit jetzt ausfüllt: Mein Buchprojekt, mein autobiografischer Roman, der schon so lange mein Traum ist und mir viel abverlangt, gerade im Moment, wo ich immer noch - oder wieder - am Anfang stehe. Writing is Re-Writing.
Die folgenden Zeilen entstanden aus von mir und einer Freundin erscrabbelten Wörtern. Wir stellten uns die Aufgabe, wirklich alle - auch die absonderlichsten! - im Laufe des Spiels auf das Brett gebrachten Worte in einem eigenen Text unterzubringen. Dann wollten wir ihn uns vorlesen. Gesagt, getan! Falls mein Text an manchen Stellen etwas merkwürdig klingt, wisst ihr also warum. Aber vielleicht ja auch merk-würdig! Ohne diese ungewöhnliche Methode wäre er vermutlich gar nicht entstanden - und auf alle Fälle nicht so. Manche aus der Not geborene Metaphern treffen tatsächlich den Kern des Schreibprozesses, in dem ich gerade stecke. Nicht immer einfach, aber so lohnend!
Ringen mit meinem Traum
Reflexionen einer Autobiographin in der Lehre
Sind es Meter oder Meilen, die mich von meinem Traum trennen? Monate
oder Jahre? Er soll nichts Separates sein, ich will mit ihm
verschmelzen. Ein
Prozess, nicht
ein Produkt
ist es:
Das gedruckte Buch in meinen Händen.
Es ist kein Stern, der
mir in den Schoß fällt. Kein Ufo, das durchs All geglitten kommt –
und irgendwann einfach hier landet. Vielleicht klingt er unwirklich,
doch nicht außer-, nein, ganz irdisch ist dieser Traum: Ich
löte Zeile um Zeile, Wort an Wort. Es ist wie das Mixen eines guten
Drinks, der am Ende ausgewogen schmeckt. Wie Lego-Spielen im
Kinderzimmer: Ich schütte die große
Box aus und alle Teile purzeln durcheinander. Jetzt muss ich sie
zusammensetzen. Wie das geht, lerne ich beim Gehen. Im Ausprobieren:
Stein an Stein. Und immer wieder auseinandernehmen, umbauen, feilen
an der Konstruktion. Stolz
errichten - und wieder einreißen. Entstandene Lücken
zumauern und später angebauten Teilen so
viel Statik
und Kitt
verleihen, dass sie
elegant mit dem Rest des Gebäudes verschmelzen.
Es
gilt, das Chaos des Erlebten zu ordnen und zu zähmen, ohne
seine Wildheit zu verlieren. Verwörtlichung von Erinnerung: Den
Staub der Vergangenheit zu Glitzerperlen polieren. Immer wieder, Satz
für Satz Wichtigkeit gegen Nichtigkeit tauschen. Das Eigentliche
herausschälen. Aus einer reellen
Zahl mit
unendlichen
Kommastellen eine ganze,
gut zu erfassende machen. Und doch schimmert es durch, mein
Gedanken-Pi – kostbare Konstante in diesem Bild, ein Schlüssel zur
Berechnung des Unberechenbaren, etwas, das die Geschichte rund macht.
Mein Buch
soll keine
Rune sein für die Eingeweihten, sondern ein Landungssteg, leicht zu
überschreiten für die Passagiere aller Klassen. Eil her, begib dich
aus der Sicherheit des Luxusdampfers ans wilde Ufer meiner Extreme.
Mach am Kai meiner Geschichte fest und lass dich vom Rauschmädchen
berauschen.
Es ist nicht immer ein
Rausch, diesen Rausch zu kreieren, kein Jux, mich immer wieder mit
mir selbst zu konfrontieren. Im Erzählen und Erzählten,
verdoppeltes Ringen, da ich Schreibende und Beschriebene bin.
Jeder Autor kämpft – mit sich und den Wörtern in dem
Unterfangen, die oft noch öde Szenerie des allerersten Getippten in
ein farbiges Faszinorum zu verwandeln, dem der Leser sich nicht mehr
entziehen kann. Und auch der Autor selbst nicht, wie wundervoll ist
bei all dem Kampf doch das Flüchten in diese ferne, selbst
erschaffene Welt! Ein Abenteuer. Und auch ein Ausruhen. Aber wohin
soll ich flüchten, wo soll ich ausruhen? Als
Autobiographin gleichen sich meine Wirklichkeiten. Nicht nur im
Prozess des Schreibens, auch in seinem Sujet treffe ich mich - und
immer nur mich. Ich werde kein Abenteuer erfinden, sondern das real
erlebte in Zeilen zwingen müssen: Werde ich ihm gerecht?
Ich kann
mich nicht gehen – und überall hin gehen - lassen. Ich
muss wach bleiben, hellwach, damit die
Autorin der Figur – und die Figur der Autorin – vor
lauter Ähnlichkeit nicht in die Quere
kommt.
Schreiben
ist wie eine Wildwasserfahrt. Auf der
Hut, doch auch weich und wendig bleiben,
sich dem Fluss anvertrauen, der mal
stetig dahinplätschernd, ein andermal
zum reißenden Strom mutiert. Ich rudere Kanus, für ruhige
Badeseen gebaut. Passiere Stromschnellen, auf die ich nicht
vorbereitet bin. Das Gesicht im rauen Wind, der Körper durchnässt
vom aufgepeitschten Wasser. Ich kippe um und richte mich wieder auf.
Schlucke Wasser, oft nah am Ertrinken, doch klettere immer wieder ins
Boot zurück.
Nicht immer kann ich
sagen: Läuft! Doch hisste
ich immer sofort die weiße Flagge, wenn ich auf ein Problem stoße,
bräuchte ich gar nicht erst zu beginnen.
Probleme sind zum Lösen da. Und
manchmal lösen sie sich von selbst, wenn ich nur dran bleibe.
Ich muss mich durchbeißen wie Mulis
oder Yaks, die auch
mit vollem Gepäck auf hohen Pfaden nie
das Gleichgewicht verlieren.
Mein
Buch, mein Traum - eine große Reise! Habe
ich je etwas kühneres
gewagt? Es ist wie
ein Marathon bei 30 Grad. Freeclimbing, Surfing, Apnoetauchen. Wie
unter Tage ohne Helm, in der
Küche flambieren ohne
Schürzen und Hauben. Ich
verbrenne mir schon mal die Finger …
Doch durch mein Brennen
dafür wird nach und nach alles verbrennen, was mich hemmt und
hindert - am Schreiben, am Vertrauen in sein Gelingen. Ich
brandschatze, schlage, ersticke, morde. Töte Ängste, Zweifel,
Prokrastination. Ablenkung und schadhafte Glaubenssätze. Bis mein
altes Ich darniederliegt, zermalmt wie ein Verkehrstoter.
Wenn es ständig in der
Mitte der Kreuzung steht und sich zum Polizisten aufspielt, der statt
den Verkehr zu regeln, ihn ganz zum Erliegen bringt, wenn
es nie ein
anderes Zeichen als Halt kennt … dann
heißt es irgendwann fahren,
ohne Rücksicht auf Verluste! Neu
werden, indem ich einfach „trotzdem“
mache. Ich werde dadurch
nur gewinnen. Meinen Möglichkeitsradius erweitern, indem
ich mich, langsam Schritt
für Schritt immer weiter
vorwage.
Und so lange weiter und
weiter gehe, bis die
anfängliche Lähmung
endgültig verschwindet. Und
ich nur noch von der
Ex-Komfortzone
spreche. Sie
ist
nun überschritten.
Und mein Ich, immer weiter
gesundend, endlich frei.
Ich kämpfe, bis er
wahr geworden ist, der Traum vom eigenen Buch. Im Nu vergriffen,
steht es irgendwann auf der Messe und im Laden … Ich tauf es mit
all dem Herzblut, das es mich gekostet hat. Taumle und tanze, dass
frisch und fesch Po und Hüfte wackeln. Würdige, feiere, genieße.
Und düse weiter – zu meinem nächsten Traum.