Freitag, 19. Dezember 2014

Dunkle, helle Zeit



Schmuddlige, traurig-trübe Tage. Und diese übermächtige Dunkelheit. Sie machen mir zu schaffen. Ich bin müde vom Melanthonin im Blut. Und müde, müde vom Jahr.
Und irgendwie doch so voll stiller Freude... Wie die Lichter, die nun überall brennen, leuchtet auch etwas in mir.
Ich mache jeden Tag ein Türchen auf und lasse die Schokolade meinen beginnenden Tag versüßen. Freue mich auf die kommende Zeit des Ausruhens. Auf die Weih- und Rauhnächte und die geheimnisvolle Zeit zwischen den Jahren; auf den Jahreswechsel und all das Neue, was mit ihm kommen wird und will. In Dankbarkeit für das, was hinter mir liegt: Drei lebendige Jahreszeiten, die ich in mir pulsen fühle, auf die ich nun in der vierten, ruhigeren, gern zurückschauen mag.

Es nähert sich der kürzeste Tag, die längste Nacht des Jahres. Wir verzweifeln an Kälte und Grau; wir treten an, sie zu besiegen. Mit Teestunden, Kerzenschein und Leckereien. Indem wir uns einkuscheln mit einem guten Buch. Vielleicht (noch) ein bisschen mehr als sonst, einander Herzenswärme schenken.

Es ist eine dunkle und eine helle Zeit.




Ganz im Dunklen aufzustehen und mich auf in den Tag zu machen, fällt mir schwer. Und immer diese lange Anziehprozedur mit Mütze, Schal und oft langen Unterhosen (zumeist einfach ThermoLeggins) ! Licht ans Fahrrad stecken, prüfen, ob die Straßen dafür tauglich sind... Manchmal schlägt einem auf der Tour eisiger Wind ins Gesicht...
Doch an einigen Morgenden wurde ich belohnt, da zeigten diese Winterschatten buchstäblich ihr Licht: Auf dem Weg zur Arbeit fuhr ich in magische Sonnenaufgänge hinein. Und mein Tag war gerettet, ja verzaubert von diesem Schauspiel - draußen, hautnah.




Übertriebene Weihnachtsbeleuchtung wie in den USA, wo die Hausbesitzer sich mit ihren tausend Leuchtfiguren gegenseitig übertrumpfen, stößt mich auch in dieser dunklen Zeit eher ab. Es ist einfach ein Zuviel an Kitsch, Aufwand und Energie.
Den Anblick traditioneller Schwippbögen und einzelner leuchtender Weihnachtsterne genieße ich dagegen.
Und drinnen zünde ich natürlich gerne Lichter an...

Auf meinem geschmückten Altar (im neuen Jahr mehr von diesem meinen kleinen "Heiligtum" und Jahreszeitentisch) brennen eine dicke rote Adventskerze und ein paar Teelichter in schönen Gefäßen ringsum.
An jedem Advent eine weitere Kerze im Tannenkranz anzuzünden, ist ein schöner Brauch, mir jedoch nicht so wichtig. Ich kenne und respektiere die christlichen Tradition unseres Weihnachtsfestes, und doch feiere ich nicht wirklich die "Ankunft" (=Advent) des Jesuskindes.
Für mich ist Weihnachten wie für viele Menschen vor allem ein Fest, in dem die Familie zusammenkommt und Zeit miteinander verbringt. Eine schöne Zeit voller kleiner gemeinsamer Rituale - und dennoch mit genügend Raum für individuelle Gestaltung. Unsere Runde war in den letzten Jahren immer klein und harmonisch, ohne Geschenke- und Erwartungsdruck. Und ich schenke gerne, mache manches selbst oder sammle schon das ganze Jahr über Ideen und Kleinigkeiten, die ich dann mit Freude verziere und verpacke. Oft belebe ich in den Weihnachtsferien auch den Kontakt zu lieben Freunden und Bekannten - mit Weihnachtskarten, -mails oder -päckchen und gemeinsamen Verabredungen.




So feiere ich zu Weihnachten tatsächlich die Kraft der Liebe. Und natürlich die Wiedergeburt des Lichts zur Wintersonnenwende am 21. Dezember! Und damit alles, was sie für mich symbolisiert: Das Neuwerden, die Wende am tiefsten Punkt, die Hoffnung und das Wiedererstarken inmitten der dunkelsten Nacht - in der Natur, in unserer Seele.
Interessanterweise handelt die christliche Weihnachtsgeschichte im Kern von denselben Dingen. In einer scheinbar aussichtslosen Situation finden Maria und Josef Hilfe und Heimstatt, in der Jesus - das Neue, die Hoffnung, das Göttliche - in die Welt geboren werden kann. Sie werden von einer höheren Kraft beschützt. Den drei Königen erscheint ein Licht, das sie glauben lässt und durch die Nacht führt.

Ich glaube an das Göttliche in Mensch und Natur und dass wir eine Verbindung zu ihm herstellen können. Gerade in dieser trostlosen Zeit setze ich mich vor meinen Altar, starre in die Kerzenflamme oder schließe die Augen und versuche wiederzufinden, was im Alltagsstress oft verloren geht. Immer noch muss ich mich dazu aufraffen, sitze ich jedoch erst einmal, genieße ich diese Zeit, ob sie nun fünf oder dreißig Minuten dauert. Ich komme zur Ruhe und auf neue Ideen, erinnere mich an etwas, schaffe Raum - und manchmal gelingt es mir tatsächlich, mich ganz in ihn hinein zu weiten. Dann spüre ich für einen kurzen Moment diesen großen Frieden, von dem die Mystiker sprechen - leer, einfach und frei. An anderen Tagen sind es innere Bilderwelten, die ich aufsuche. Ich spreche mit meiner Inneren Führung und gewinne eine Erkenntnis. Nehme einen Satz oder ein Gefühl mit, die mich weiterbringen.




Die Weihnachts- und Winterzeit schätze ich als eine Zeit, in der diese Art der Einkehr Raum hat. Oder immer mehr Raum finden sollte. Auch wenn es allzu einfach oder gar kitschig klingt, ich glaube fest daran: Es ist deshalb so dunkel und kalt, damit wir Licht und Wärme in uns selbst finden, aus uns selbst heraus gebären müssen. Wenn das Außen leer und unwirtlich wird, ist es Zeit, nach innen zu gehen. Dort liegt der Schlüssel, der Anfang.
So beobachten wir es ja auch in der Natur: Die Pflanzen ziehen ihre Lebenskraft unter die Erde ganz in ihre Wurzeln zurück und ruhen aus. Die Samen gehen in den Boden ein. Aus beidem kann im Frühjahr neues Leben sprießen.




Leider wird uns dieser notwendige Rückzug oft erschwert: Trotz schwindender Sonne und Lebenskraft muss in der modernen Welt im Winter genauso viel gearbeitet werden. Und gerade zu Weihnachten nehmen in Vorbereitung des Festes Pflichten und Besorgungen noch zu - und auch der Druck, es zu etwas Besonderem zu machen. Damit ist Weihnachten für Viele zu einer Umkehrung dessen geworden, für das es eigentlich steht.

Manchmal mache ich mir Sorgen, dass in Zeiten des Klimawandels auch die Natur in ihren natürlichen Rhythmen gestört wird.
In der Vergangenheit gab es im Dezember vielleicht auch mal krasse Ausreißer in die zweistelligen Plusgrade.
Aber einen anhaltend so warmen Winter (und auch Herbst) wie in diesem und letztem Jahr gab es nicht. Natürlich hat das seine Vorteile, was Anfahrtswege, Heizkosten - und Körperempfindungen :-) angeht.
Aber für Tiere und Pflanzen muss dieses Gefühl von Immer noch Herbst? Schon wieder Frühling? verwirrend sein. Sträucher treiben ständig neu aus, Frühlingsblüher erscheinen, Tiere finden nicht in den Winterschlaf. Unter einer dichten Schnee- und Eisdecke, sagt man, ruhe die Natur sich aus. Aber bisher gab es kaum Frost, die ersten und einzigen Schneeflocken dieses Winters waren rasend schnell wieder weggetaut.





Meine weihnachtlichen Gefühle hängen auch mit dem Wetter zusammen. Irgendwas hat es doch, wenn einem auf dem Adventsmarkt vor Kälte beim Essen fast die Finger abfrieren und der Glühwein von allen Extremitäten heiß ersehnt wird, oder ?
Wenn man die Mütze tiefer ins Gesicht zieht und sich später glücklich wieder in die warme Stube flüchtet ?

So geschehen am allerersten Adventswochenende, als Martin und ich auf dem kleinen, feinen Weihnachtsmarkt auf dem Apfeltraum Hof unsere Produkte anboten - und selbst so manches regionales, biologisches, handgemachtes Schmankerl für unsere Lieben - oder uns selbst erstanden. - (Ich u.a. lokal produziertes Leinöl, Apfelringe, Soßen und Pestos und den handgeschnitzten kleinen Weihnachtsbaum auf dem Foto oben.)
Das war schön: Liebevolle Stände, interessiertes, nettes Publikum in Kauflaune, der tolle Gastgeberhof. Und ein klirrend kalter Tag !  Als ich meinen Rundgang machte, saßen die Flüchtlinge aus dem angrenzenden Heim alle dichtgedrängt am Feuer. Sie müssen es noch frostiger als wir empfunden haben. Wobei - wenn es so weiter geht - sind auch wir hier gar nichts mehr gewöhnt und erfriern bei jedem Anflug von Minusgraden.




Da es weiter weit über Null bleiben soll, wird die richtige Weihnachtsstimmung dieses Jahr wohl auf sich warten lassen. Aber ich konzentriere mich einfach auf all das andere Wunderbare dieser dunklen, hellen Zeit, von dem ich heute erzählt habe.

Ich wünsche Euch, dass auch Ihr über die Feiertage zu etwas Ruhe und Besinnlichkeit findet.

Frohe Weihnachten ! Frohe Einkehr ! Eine frohe Wieder-kehr des Lichts... !



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