Sonntag, 15. März 2015

Zuckerfasten

Die Fastenzeit ist in vollem Gange. Immer mehr Menschen nutzen diese ursprünglich christliche Tradition um  bewusst zu verzichten. Meist auf bestimmte Konsumgüter oder Gewohnheiten, die einem vielleicht ein wenig zu sehr ans Herz - oder an den Magen - gewachsen sind.
Handy-, plastik-, tierfrei - die BUND-Jugend nennt das Klimafasten und berichtet auf ihrem Blog von den unterschiedlichen Experimenten. Die Wilde-Wölfin will einen ganzen Monat nichts außer Lebensmittel einkaufen.

Ich habe mich entschlossen, dieses Jahr auf Süßigkeiten und zuckerhaltige Lebensmittel zu verzichten. Insgesamt ernähre ich mich sehr bewusst, fast ausschließlich biologisch und vegetarisch mit viel selbst gekochtem Essen, frischem Obst, Gemüse und Wildkräutern. Mein Naschverhalten passt so gar nicht dazu und hatte sich in letzter Zeit verschärft. Höchste Zeit, dem einmal Einhalt zu gebieten und seine Hintergründe zu erforschen. 40 Tage lang.


Bruch mit der heißgeliebten Schokolade


Warum greife ich zur süßen Droge ? Was halte ich nicht aus, wenn ich Schokolade brauche ? Wovor flüchte ich ?
Ich will Zucker nicht dämonisieren. Ein Stück Kuchen oder leckerer Nachtisch in Gesellschaft verzehrt, ist etwas Schönes. Ich bin ein Genussmensch und will es auch bleiben. Aber in letzter Zeit wurde so manche vertilgte Süßigkeit tatsächlich zum Lückenfüller und Ersatzstoff. Immer häufiger stellte ich mir die oberen Fragen und begann mich zu beobachten. Zunächst, während ich weiter konsumierte. Nun während des Verzichts.

Ich entdeckte, dass bestimmte Zustände und Gefühlslagen meine süße Sucht besonders schüren:

1. Müdigkeit
2. Stress
3. Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit
4. Unbehagen vor/bei ungeliebten Tätigkeiten
5. andere ungeliebte Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Traurigkeit...
6. andere unerfüllte Bedürfnisse wie das nach Kreativität, Abenteuerlust...

Zucker schüttet wie andere Drogen Serotonine im Körper aus, die die oben genannten Gefühle abmildern, sprichwörtlich "versüßen". Man erhält einen Energieschub, fühlt sich nicht mehr so alleine oder unbehaglich,
der lustvolle Genuss lenkt von der ursprünglichen Sehnsucht ab. Denn - das hab ich von der Autorin Safi Nidiaye - hinter jeder Sucht steckt eine Sehn-sucht. Und so ist der Griff zur Schokolade nicht selten Ersatz und Kompensation. Sinnvoller wäre es, die Sehnsüchte und Bedürfnisse dahinter zu erkennen, sie direkt zu befriedigen - oder ihnen Ausdruck zu verleihen. Wenn ich müde bin, sollte ich schlafen, statt mir Zucker reinzuhauen und weiterzumachen. Wenn ich traurig und mutlos bin, die Tränen fließen lassen oder z.B. darüber schreiben. Wenn ich bestimmte Situationen nur mit Süßigkeiten aushalte, sollte ich mich fragen, was an ihnen nicht stimmt und sie nach und nach verändern.

Während ich Zucker faste, kommen so einige verdrängte Gefühle und Bedürfnisse hoch. Nun kann ich sie nicht mehr "weg-essen", nun bleiben sie - und ich muss ihnen zuhören. Die klare Wahrnehmung und Erkenntnis - der erste Schritt in Richtung Veränderung.

Die ersten zwei Wochen fiel mir der Verzicht sehr schwer. Der Weg durch den Supermarkt glich einem Spießrutenlauf und ich hörte plötzlich überall Leute von Eis oder Toffeeschoki reden. Nun bin ich über den Berg - sowohl zeitlich als auch emotional. Ich habe geistig viel dazugewonnen, während körperlich ein paar Gramm den entgegengesetzten Weg nahmen. Für die nächsten drei Wochen ohne Schoki und Co. bin ich zuversichtlich. Mal sehen, wie die erste Ostersüßigkeit nach der Fastenzeit schmeckt. Und auf wieviel Zucker ich überhaupt noch Lust habe - oder in Zukunft gerne verzichten will.



4 Kommentare:

  1. Eine einfache Sache super analysiert. Das sollte ich auch tun, wenn ich mir schon wieder was kaufen (Klamotten) will, sonst nähere ich mich Omi an. Will ich nicht!
    Süßes verdrücke ich seit meiner Grippe wenig und sehr bewusst.

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  2. Super Blogeintrag! Ich faste auch Zucker und seh hier nahezu identische Überschneidung!
    Ich bin auch gespannt, ob ich die alten Zuckerbomben danach noch essen kann bzw. ob sie mir dann noch schmecken.
    Ich merke auch oft, dass ich "Zuckriges" essen möchte, wenn ich zu wenig getrunken habe. Woran das liegt weiß ich nicht.
    Ich freue mich aber trotzdem schon auf Kuchen und Mateeistee.. :)

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  3. Ein bißchen spät, aber ich bin gerade über die BUNDjugend-Seite auf Deinen Blog gestoßen. :-) Ich hab mal ein ganzes Jahr auf Süßkram / Zucker verzichtet. Am Anfang hatte ich natürlich "Entzugserscheinungen", aber irgendwann war es völlig entspannt. Ich konnte mit meinen Freunden ins Eiscafé gehen, ohne das Verlangen zu haben, mich auf das Eis stürzen zu müssen. Schoki? Nee, brauch ich nicht. Statt gezuckertem Industriejoghurt gab es eben Naturjoghurt mit frischem Obst etc. Als ich wieder angefangen habe, Zucker zu essen, hab ich festgestellt, daß ich viel bewußter mit Süßkram umgehe. Z.B. nur noch Bio-Zucker, Bio-Schoki (und auch hier meist nur die "normale" Vollmilch ohne viel Schnickschnack), weniger verarbeitete Produkte mit verstecktem Zucker (die mir dann einfach viel zu süß waren).

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    1. Besser spät als nie: Hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut. Ein ganzes Jahr ohne Zucker - wow, mein Respekt ! Das sind wertvolle Erfahrungen, die einen verändern.
      Ich achte auch sehr auf die Art der Süßigkeiten, die ich esse und den versteckten Zucker - der in Bio-Lebensmitteln viel seltener vorkommt. Mich stört auch das viele (regenwaldzerstörende) Palmöl in "normalem" Süßkram und dass ich nicht weiß, wieviel Arbeiter- oder gar Kinderleid da drinsteckt. Die meisten Bio-Schoki-Anbieter setzen dagegen auf faire Herstellungsbedingungen mit sozialen Standards, unterstützen lokale Projekte...
      Aber auch das Bewusstsein und Maßhalten im eigenen Konsum bewirkt etwas. Neulich habe ich angefangen, die zugesetzten Zuckermengen in meinen Lebens- und Genussmitteln zu lesen und zu vergleichen. Und so habe ich eine 85%ige Schokolade (das heißt, "nur" 15% Zucker pro Tafel) probiert - wie bei dir, ohne Schnickschnack - und sie schmeckt mir richtig gut !
      Auch dieses Jahr werd ich zur Fastenzeit wieder auf Zucker verzichten - und hier darüber berichten. D.h., schon ab morgen, o je ;-) Aber ich freue mich auch sehr auf dieses erneute Experiment.
      Dir alles Gute !

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